„Josef? Josef? Josef!“Maria wurde zusehends ungeduldig.
„Hmm?“ Josef wirkte abwesend.
„Also eines weiß ich: Der kleine Jesus bekommt sicher kein Smartphone, bevor er 18 ist“, schnaubte Maria. „Was machst du da eigentlich die ganze Zeit am Handy? Ein schönes Vorbild wirst du mal sein als Vater!“
„Wie? Ja, ja, natürlich!“
Maria rückte näher, um zu sehen, was ihren Mann so sehr an das Smartphone fesselte. „Sag, es ist der 22.12., und wir haben immer noch kein Quartier für den 24.12. Du hast versprochen, dass du dich darum kümmerst!“ Marias Ton wurde fordernder.
Josef beschwichtigte: „Sicher, mein Schatz, mach ich ja gerade!“
„Auf TikTok? Möchtest du ein Hotel herbeitanzen? Jerusalema??“ Marias Zwischentöne wurden zusehends sarkastischer.
Josef ließ sich nicht beirren. „Der Influencer Sonnenscheincatering meinte, man solle sich einfach von so einem Stern leiten lassen, dann wird das was. Ich habe auch schon einen Suchalert auf Immoscout24 eingerichtet.“
Es überraschte wenig, dass Maria sich damit nicht zufriedengab. Schließlich war die Herbergssuche schon seit vier Tagen ein Thema, die Warteschlange vor der Tesla-Station wurde auch nicht kürzer, und der Jüngling machte sich im Bauch immer häufiger bemerkbar.
Sie bemerkte schnippisch: „Du glaubst doch immer an diese KI. Dann frag halt ChatGPT, wo es in Betlehem eine Unterkunft für uns gibt?“
Josef blieb ruhig: „Hab ich schon. Das Beste, was dem eingefallen ist, war irgendein alter Stall in einem Vorort, wo angeblich auch Viecher herumstehen. Halluziniert halt immer noch ziemlich, das Ding.“ Er grinste.
Seiner Frau hingen die „Scherze“ ihres Mannes längst zum Hals heraus. „Was ist eigentlich mit deinen ganzen Buddies aus der Immobilienbranche? Als Tischler hast du dir doch so ein super Netzwerk aufgebaut, hast du mir immer erzählt. Da wird doch einer helfen können!“
Das saß. Denn Josef hatte natürlich schon alle Register gezogen, aber niemand konnte ihm aktuell helfen, der Markt für Mieten war einfach überaufen. Und in Betlehem gab es auch keine leerstehenden Gemeindewohnungen. Trotz der dort kürzlich eingeführten Leerstandsabgabe war einfach nichts mehr frei. Politiker und ihre „guten“ Ideen: Herodes war da keinen Deut besser als seine Vorgänger – oder gar Pontius Pilatus, der mit seiner Händewascherei noch in den Pandemiezeiten stecken geblieben war.
Fertigmodulbau, leeres Grundstück, vier Tage Bauzeit – zack. Das wär’s gewesen. Aber die Beamten hatten nur milde gelächelt, als er voriges Jahr um eine Baubewilligung auf dem kleinen Grundstück angesucht hatte. Der Leiter der Baubehörde Betlehems – zugewandert aus dem fernen Wien – meinte lediglich lapidar: „Jetzt bin ich einmal drei Wochen auf Kur, dann hab ich vier Wochen Urlaub, und dann hab ich noch zwei Wochen Krankenstand aus dem Vorjahr offen!“
Als die beiden schon nahe daran waren, jede Hoffnung aufzugeben, pingte das Smartphone:
„Mixed-Use-Objekt, flexible Nutzung, hohe Decken, gute Luftzirkulation, absolut offenes Raumkonzept. Natürliche Belichtung.“
Josef zeigte Maria die Animation des Gebäudes. Sie war zwar ob des durchschimmernden grauen Fells (war das womöglich ein Esel?) irritiert, aber man machte sich auf den Weg.
Angekommen in Betlehem warteten dort vor der Tür bereits ein Immobilienmakler, eine Bauträgerin und ein Hausverwalter, die von weit her gekommen waren, um wertvolle Geschenke zu bringen: einen unbefristeten Mietvertrag im Vollanwendungsbereich des MRG, ein Fixniedrigzinsdarlehen einer großen österreichischen Bank (mit Kreuz im Logo!) und einen Stromtarif, der Licht und Wärme aus einem leuchtenden Stern für alle Ewigkeit garantierte.
Wenig später war es dann so weit. Eine geschulte Hebamme half bei der Hausgeburt, unzählige Pentatonix-Avatare stimmten Halleluja im Chor an, und die LED-Lichter strahlten im Takt.